Deutscher Sachbuchpreis 2023

Ewald Frie erhält den Deutschen Sachbuchpreis 2023

In "Ein Hof und elf Geschwister. Der stille Abschied vom bäuerlichen Leben in Deutschland" erzählt der Tübinger Historiker Ewald Frie die Geschichte einer Bauernfamilie in der Bundesrepublik – die Geschichte seiner eigenen Familie. Dafür erhielt er den Deutschen Sachbuchpreis 2023, der dieses Jahr in der Hamburger Elbphilharmonie vergeben wurde.

Der stille Abschied vom bäuerlichen Leben geschieht überall. Eine persönliche und überraschende Perspektive auf diesen Veränderungsprozess nimmt Ewald Frie ein: Am Beispiel seiner Familie aus dem Münsterland beschreibt er Spannungen, die sich zwischen Stadt und Land entwickelt haben und uns gegenwärtig intensiv beschäftigen. In seiner verblüffend einfachen und zugleich poetischen Sprache schafft Frie Zugang zu einer Welt im Wandel – immer empathisch, aber nie nostalgisch. Auf der Basis von Interviews mit seinen Geschwistern hat Ewald Frie ein tiefes und gleichzeitig zugängliches und unterhaltsames historisches Sachbuch verfasst. Diese Alltagsgeschichte geht von leicht zu übersehenden Details aus und entwickelt große Gedanken. Ein inspirierendes Beispiel für innovative Geschichtsschreibung.

Jurybegründung Sachbuch des Jahres 2023

Die stolze bäuerliche Landwirtschaft mit Viehmärkten, Selbstversorgung und harter Knochenarbeit ist im Laufe der Sechzigerjahre in rasantem Tempo und doch ganz leise verschwunden. Ewald Frie erzählt am Beispiel seiner Familie von der großen Zäsur. Mit wenigen Strichen, anhand von vielsagenden Szenen und Beispielen zeigt er, wie die Welt der Eltern unterging, die Geschwister anderen Lebensentwürfen folgten und der allgemeine gesellschaftliche Wandel das Land erfasste.

Zuchtbullen für die monatliche Auktion, Kühe und Schweine auf der Weide, Pferde vor dem Pflug, ein Garten für die Vorratshaltung – der Hof einträglich bewirtschaftet von Eltern, Kindern und Hilfskräften. Das bäuerliche Leben der Fünfzigerjahre scheint dem Mittelalter näher als unserer Zeit. Doch dann ändert sich alles: Einst wohlhabende und angesehene Bauern gelten trotz aller Modernisierung plötzlich als ärmlich und rückständig, ihre Kinder riechen nach Stall und schämen sich. Wege aus der bäuerlichen Welt weist die katholische Kirche mit neuer Jugendarbeit. Der Sozialstaat hilft bei Ausbildung und Hofübergabe. Schon in den Siebzigerjahren ist die Welt auf dem Land eine völlig andere. Staunend blickt man zurück, so still war der Wandel: «Mein Gott, das hab ich noch erlebt, das kommt mir vor wie aus einem anderen Jahrhundert.»
Ewald Frie hat seine zehn Geschwister, geboren zwischen 1944 und 1969, gefragt, wie sie diese Zeit erlebt haben. Sein glänzend geschriebenes Buch lässt mit treffsicherer Lakonie den großen Umbruch lebendig werden.

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<p style="text-align: center;"><br />(c) Fany Fazii


(c) Fany Fazii

Ewald Frie wurde 1962 als neuntes von elf Kindern einer katholischen Bauernfamilie im Münsterland geboren. Er ist Professor für Neuere Geschichte an der Universität Tübingen und ordentliches Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften.

Rede des Preisträgers [youtube.com] -
Universitätsseite [uni-tuebingen.de)

Der Preisträger im Kreis seiner Geschwister.