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17aus63: Der C.H.Beck-Fragebogen
Stellungnahme von Dr. Eva Gesine Baur zu den Rezensionen ihrer Maria Callas-Biographie, erschienen im Münchner Merkur und in der Abendzeitung
Stellungnahme zur Berichterstattung im Münchner Merkur
Der im Münchner Merkur erschienene Beitrag enthält neben zahlreichen unbelegten Behauptungen derartig viele fehlerhafte Aussagen und als Höhepunkt die Benennung eines einzigen Fehlers, der nachweisbar keiner ist, dass dem hier Fakten entgegengestellt werden sollen.
In der Rezension heißt es, die Autorin „zeichnet die Callas als ständiges Opfer, als Spielball anderer, meistens männlicher Mächte.“ Ich trete genau dieser Theorie entgegen: „Glaubwürdig hatte sie mit Lucia eines der vielen weiblichen Opfer in der Oper verkörpert, davor schon das Opfer Elvira, das Opfer Leonora, das Opfer Gilda. Maria selbst wollte offenbar kein Opfer sein und war entschlossen, ihr privates Dasein gegen jeden zu verteidigen, der die Prominenz von Callas ausbeuten wollte“ (S. 149). Weiterhin dementiert die Autorin die Opferrolle von Callas auf S. 204 und 308. Auf S. 286 übt sie Kritik an einem Buch, das Callas zum Opfer machte: „Das Buch belebte ein Gerücht wieder, das seit über zwanzig Jahren durch die Callas-Literatur geistert und nicht totzukriegen ist. Geliebt wird dieses Gerücht, weil es ein Bild von Maria Callas als Opfer bestätigt, das aber mit den Tatsachen nichts zu tun hat.“ Es gibt einige weitere Passagen dieses Inhalts.
„Viele Anekdoten werden ungeprüft übernommen“, behauptet der Text im Münchner Merkur, leider ohne einen Beweis dafür anzuführen. Mein Anliegen war, gerade populäre Wanderlegenden zu entlarven, und dafür kann ich Ihnen circa vierzig Beispiele liefern. Hier nur ein paar.
Weiter heißt es: „Fast genussvoll werden die vielen Skandale und Absagen aufgelistet.“ Das Epitheton insinuiert eine Schadenfreude, die mir fremd und in diesem Buch nirgendwo nachweisbar ist. Den sogenannten Norma-Skandal in Rom schildere ich aus der Warte von Callas’ enger Freundin Giovanna Lomazzi, die mit ihr empathischer war als sonst jemand. Was sie hörte, was übertragen wurde, habe ich überprüft.
„Aufgelistet“ wird in diesem durcherzählten Buch nichts außer Quellen und Literatur.
Der Text moniert zudem, dass die Autorin sich „um Musikalisches und Vokales fast vollkommen drückt. Anstatt zu beschreiben, was Wohl und Wehe dieser Stimme ausmacht, warum sie diese fatale Entwicklung nehmen musste, liest man Fragwürdiges („nichts auszusetzen“, „rund“, „weich“) oder Seltsames bis Falsches: Birgit Nilsson hat nicht nur die Venus im Tannhäuser gesungen, sie war vor allem auch die Elisabeth.“
Das Wort „rund“ kommt in Zusammenhang mit Callas’ Stimme ein einziges Mal vor, in einem Zitat aus dem Daily Express (S. 258). Der Begriff „weich“ taucht drei Mal, ebenfalls nur in Zitaten auf (S. 275, S. 328 und S. 381), einmal verwende ich das Wort „weicher“ selbst für eine Stelle, bei der jedem, der sie auf dem Live-Mitschnitt (Warner) nachhört, nichts anderes einfallen dürfte. Es geht um die Stelle, wo Anna Bolena vor ihrer Hinrichtung den Feinden, die sie zuerst angriff, verzeiht (S. 225). Das Urteil „nichts auszusetzen“ wird zwei Mal als Urteil anderer Personen wiedergegeben.
Zu Birgit Nilsson heißt es (S. 189): „Die Besucherin aus Schweden [= Nilsson], die am 22. März ihre Kollegin Maria Callas endlich einmal auf der Bühne erleben wollte, kannte den Betrieb. Birgit Nilsson war letztes Jahr hier als Venus in Wagners Tannhäuser aufgetreten, dieses Jahr wurde aufgezeichnet, wie die Naturgewalt ihrer Stimme das riesige Opernhaus füllte.“ Nilsson hat in besagtem Jahr in Neapel nicht die Elisabeth, nur die Venus gesungen. Sie sang in Neapel die Elisabeth nie. Kestings Verfahren ist, bei jedem bedeutenden Namen dessen Vita in Daten aufzulisten, so z. B. bei Toscanini, oft zwei Seiten lang; da dieses Verfahren den Lesefluss unnötig aufhält und alle diese Daten auf Wikipedia oder im Brockhaus nachzulesen sind, habe ich darauf verzichtet. Meine Aussage ist nicht falsch, sie ist richtig.
Ich drücke mich weder um Musikalisches noch um die Stimmentwicklung von Callas. Erstmals in einer Gesamtbiographie von Callas (Kapitel 2 und 3) wird bei mir ausführlich beschrieben, welche Probleme an deren Stimme bereits Studienkollegen, Lehrer und Rezensenten in ihrer Jugend in Athen feststellten.
Ich schildere bestimmte oft gerügte Eigenarten der Stimme, wie das sogenannte wobble, das Wackeln besonders auf hohen Noten, und beschreibe sogar eine Privatstunde, die Elisabeth Schwarzkopf ihrer Kollegin und Freundin Maria Callas erteilte (S. 155). Mehrfach gehe ich darauf ein, wie Stressbelastung, Überforderung oder das Klima der Stimme von Callas zusetzten (z. B. S. 175, S. 197 und S. 214). Kesting, der nach Ansicht der Rezension „tiefer“ geht, fügt seinem Buch knapp viereinhalb Seiten lockere Anmerkungen an, bei mir sind es einundvierzig dichtgedrängte Seiten mit präzisen Angaben. Es waren ursprünglich vier Mal so viele, die gekürzt werden mussten, jedoch alle erhalten sind und gerne angereicht werden.
Kestings Literaturliste enthält keinerlei archivalische Quellen, nur Bücher (2 Seiten) und Aufsätze (knapp 1 ½ Seiten) sowie „Allgemeine Literatur“ (2 Seiten), in der sogar Opernführer aufgelistet werden oder philosophische Arbeiten, in denen es nicht um Gesang, schon gar nicht um Callas geht. Bis auf einige Ausnahmen in Englisch bezieht er seine Informationen nur aus deutschsprachiger Literatur. Ich führe alle verwendeten Quellen so auf, wie es wissenschaftlich gebräuchlich ist, akustische Dokumente, filmische Dokumente, benutzte Archive und veröffentlichte Literatur. Es handelt sich um italienische, französische und englische Texte und mehr als das Dreifache, fast das Vierfache von dem, was Kesting nennt, hinzu kommen in den Fußnoten zitierte Quellen, die nur einmal aufgeführt werden.
Stellungnahme zur Berichterstattung in der Abendzeitung
Die Kritik der in der Abendzeitung erschienenen Rezension erschöpft sich in fehlerhaften Behauptungen, Unterstellungen und Desiderata. Auf die Desiderata möchte ich nicht weiter eingehen; die gewünschten Zusatzinformationen, zum Beispiel Vergleiche mit anderen Opernaufführungen der Zeit ohne Callas, interessiert die Leserschaft einer Callas-Biographie schwerlich, sie erwarten was draufsteht: eine Lebensbeschreibung. Keine musikhistorische Abhandlung, keine Stimm-Analyse, keine Untersuchungen zum Phänomen der Diva, was es alles schon gibt.
Hier eine kleine Auswahl aus den durchgehend fehlerhaften Aussagen.
Konkret kann die Rezension bis auf die Aufnahme der Lucia von Fricsay, die tatsächlich vor der von Karajan mit demselben Orchester entstand, keinen einzigen inhaltlichen oder sachlichen Kritikpunkt zu einem Buch von 500 Seiten vorbringen. Die Behauptung, bei Kesting „stehe das Notwendige an Biographischem über Callas“, ist ebenfalls zu falsifizieren, wobei dort nicht ein einziges Mal ihr Name korrekt geschrieben wird: Kalogeropoulou. Dort findet sich nur ein Bruchteil des Wikipedia-Artikels, aber das ist gerechtfertigt, Callas‘ Leben zu schildern war nicht Kestings Anliegen. Auf seinem Buch steht nicht Biographie.
Dr. Eva Gesine Baur
München, den 1. März 2023