Else Otten Übersetzerpreis 2023 für Simone Schroth und Christina Siever

Else Otten Übersetzerpreis 2023 für Simone Schroth und Christina Siever

Der alle drei Jahre verliehene Else Otten Übersetzerpreis geht an die Übersetzerinnen Simone Schroth und Christina Siever für Ich will die Chronistin dieser Zeit werden. Sämtliche Tagebücher und Briefe. 1941 - 1943, erschienen im März 2023 im Verlag C.H.Beck. Ihre deutsche Übersetzung von Etty Hillesums Het verzameld werk. 1941-1943, erschienen im Verlag Balans im Jahr 1986, zeugt von einem differenzierten Sprachgefühl und von großer literarischer und historischer Expertise. 

Der Preis wird den Übersetzerinnen am Sonnabend, dem 23. März, auf der Leipziger Buchmesse verliehen, auf der die Niederlande und Flandern als Gastland unter dem Titel Alles außer flach ein besonderes Programm mit niederländischen und flämischen Autoren bieten.

Mit Ich will die Chronistin dieser Zeit werden haben Simone Schroth und Christina Siever in den Worten der Jury ...

... ein international anerkanntes Standardwerk der jüdischen Erinnerungskultur exzellent übersetzt, dessen besondere Bedeutung in  den letzten Jahrzehnten zunehmend erkannt wurde. Simone Schroth, die für die Übertragung der Briefe Etty Hillesums verantwortlich zeichnet, und Christina Siever, die die Tagebücher übersetzt hat, zeigen sich auf jeder Seite dem außerordentlichen Schwierigkeitsgrad des Textes in hervorragender Weise gewachsen und finden einen gemeinsamen Ton, der den unterschiedlichen Genres von Briefen und Tagebüchern jederzeit gerecht wird. Die junge Etty Hillesum verfügt über einen sehr persönlichen Stil, der eigene Wortschöpfungen und fragmentarische Sätze umfasst, dessen Ausdruck mal blumig und schwärmerisch, mal tiefsinnig und nachdenklich ist. Einerseits sind die Tagebücher und die Briefe von heftigen Gefühlen durchdrungen und ist sich Etty Hillesum jederzeit der Fragilität der menschlichen Existenz bewusst, andererseits artikuliert sie wiederholt ihr großes Wissen über religiöse und philosophische Fragen. Diese hohe Spannung zwischen den Perspektiven, der permanente Wechsel zwischen Privatheit und Weltgeschehen, bleibt auch im Deutschen erhalten. Die sprachlichen Eigenheiten Hillesums wurden nicht geglättet, sondern behutsam 
und mutig zugleich übertragen, der reiche niederländische Wortschatz der Autorin mit einem ebenso reichem deutschen Vokabular übersetzt. In einem erhellenden Nachwort machen Simone Schroth und Christina Siever ihre Vorgehensweise transparent. Sie erklären und begründen die Wege ihrer Recherche, legen die Quellen ihrer Übersetzung offen und liefern für deutsche Leser und Leserinnen notwendige Erläuterungen, die die niederländische Ausgabe vortrefflich ergänzen. Dass der deutschsprachigen Leserschaft achtzig Jahre nach der Ermordung Etty Hillesums im Konzentrationslager Auschwitz eine zuverlässige Gesamtausgabe vorliegt, ist von unschätzbarem
Wert.

Simone Schroth (1974) promovierte im Jahr 2006 an der Universität Bonn in Vergleichender Literaturwissenschaft über die Übersetzungen von Anne Franks Het Achterhuis. Sie hat unter anderem Werke von Anne Frank, Klaartje de Zwarte-Walvisch, Carry Ulreich, Selma van de Perre und Etty Hillesum übersetzt. Sie ist Dozentin an der Lancaster University in Großbritannien. 

Christina Siever (1982) studierte Germanistik, Niederlandistik und Geschichte an der Universität Zürich und der Freien Universität Berlin. Sie promovierte in der germanistischen Linguistik. Sie hat Bücher von Gerardus van der Leeuw, Salo Muller, Etty Hillesum und Marjan Slob übersetzt. 

Über den Preis

Mit dem Else Otten Übersetzerpreis zeichnet die Niederländische Stiftung für Literatur alle drei Jahre die beste deutsche Übersetzung eines niederländischsprachigen literarischen Werkes der vorangehenden drei Jahre aus. Der Preis ist mit 5000 Euro dotiert.

Die diesjährige Jury bestand aus der deutschen Übersetzerin und 
Preisträgerin des Else Otten Übersetzerpreis 2020 Bärbel Jänicke, dem niederländischen Sprachwissenschaftler und Preisträger des Martinus Nijhoff Übersetzerpreises 2023 Ton Naaijkens, und Bettina Baltschev, Journalistin und Kuratorin des Gastlandauftritts der Niederlande und Flanderns auf der Leipziger Buchmesse 2024.

Frühere Preisträger und Preisträgerinnen sind Ira Wilhelm, Annette Wunschel, Bettina Bach, Rainer Kersten, Christiane Kuby, Andreas Ecke, Waltraud Hüsmert, Hanni Ehlers, Helga van Beuningen, Marlene Müller-Haas und Gregor Seferens.

Else Otten (1873 - 1931), Namensgeberin des Preises, war im vergangenen Jahrhundert eine der aktivsten Übersetzerinnen niederländischsprachiger Literatur ins Deutsche. Sie hat Majesteit van Louis Couperus (Majestät, 1895) übersetzt und unter anderem Werke von Frederik van Eeden, Justus van Maurik und Herman Heijermans.

Quelle: Letterenfonds.nl