Dirk von Petersdorff im Gespräch mit seinem Lektor

<p style="text-align: center;"><br />Dirk von Petersdorff


Dirk von Petersdorff

Martin Hielscher: Herr von Petersdorff, Ihr neues Buch handelt von einem Abendessen, zu dem ein seit Jahren in Ostdeutschland lebendes, aber aus dem Westen stammendes Ehepaar ostdeutsche Bekannte eingeladen hat. Das Abendessen wird ebenso turbulent wie das Wetter, denn draußen droht ein Gewitter. Es kommen noch andere Gäste, aber der Kern ist diese deutsch-deutsch Paarversammlung. Ist die Stimmung zwischen West- und Ostdeutschen immer noch so angespannt? Ist das ein Konflikt, den wir unterschätzt haben?

Dirk von Petersdorff: In den letzten Jahren ist die Spannung zwischen Ost und West eher wieder stärker geworden. Auch in den jüngeren Generationen spielt die Herkunft immer noch eine Rolle, auch wenn damit manchmal spielerisch umgegangen wird. Man könnte sich wundern, dass dies über 30 Jahre nach der Wende noch der Fall ist, aber hier geht es um das Denken und Fühlen von Menschen, und das verändert sich viel langsamer, als sich z.B. Institutionen verändern lassen. Wenn man die Perspektive noch ausweiten will, könnte man sagen, dass der Krieg, den Russland gegen die Ukraine führt, auch ein Krieg gegen das westliche Lebensmodell ist. In der Propaganda spielen dieser Hass auf liberale Gesellschaften wie die Angst vor ihnen jedenfalls eine große Rolle.

Sie haben für ihre Geschichte die Form einer Novelle gewählt und es gibt womöglich gleich mehrere unerhörte Begebenheiten in ihrem Text, zugleich ist das ja nicht gerade eine moderne Gattung. Warum haben Sie dennoch diese Form gewählt?

Das stimmt, die Novelle ist eine sehr alte Form. Ich finde es ästhetisch aber gerade spannungsreich, solche strengen Formen auf eine chaotische Gegenwart treffen zu lassen. Im Fall der Novelle kommt hinzu: Sie ist kurz, es wird konzentriert und linear erzählt, und es darf und soll etwas Erstaunliches passieren. Als ich mit dem Schreiben begonnen habe, hatte ich den Plan für eine Novelle noch gar nicht. Der Stoff hat sich in diese Richtung entwickelt, als sich die unerhörten Begebenheiten auftaten.

In ihrer Geschichte tauchen am Ende nicht nur amerikanische Nato-Soldaten auf – im Gewitter ist ein Helikopter, im Einsatz bei einer nahegelegen Nato-Übung, abgestürzt – auch ein versrpengter, ehemaliger Sowjetsoldat geistert in der Landschaft um das Haus, in dem die Geschichte spielt, herum. Weitet sich hier der Ost-West-Konflikt aus? Den aktuellen Ukraine-Krieg gab es bei der Niederschrift ja noch nicht, aber was das eine Art intuitiver Voraussicht?


Die Novelle habe ich Ende des letzten Jahres abgeschlossen. Dass sich Nato-Staaten mehr oder weniger direkt an einem Krieg gegen Russland beteiligen würden, konnte damals keiner vorhersagen. Aber ich habe das Gefühl, dass seit mehreren Jahren schon eine wachsende Aggressivität geradezu in der Luft liegt. Man kann das in privaten Konstellationen erkennen, in der Art, wie gesellschaftlich kommuniziert wird, und vor allem im politischen Bereich. Der autoritäre Herrschertyp ist ein Phänomen unserer Zeit. Insgesamt ist an so vielen Stellen eine Unduldsamkeit und Rechthaberei zu spüren, auch eine wachsende Angst – früher hätte man gesagt, dass gerade ein böser Komet an der Erde vorbeizieht.

Ihre Novelle ist durchaus unterhaltsam, gelegentlich außerordentlich komisch, lebt von allen möglichen Zwischentönen, aber auch den Gesprächsbeiträgen der Gäste und auch unerwarteter Besucher – ganz unterschiedliche Zungenschläge, auch die Söhne von Jenny und Friedrich, die eingeladen haben, haben etwas zu sagen. Diese virtuosen Einsätze und zugleich die ja doch auch strenge Form, wie haben Sie sich das erarbeitet? Was war das Schwierigste?

Ehrlich gesagt, war es diesmal gar nicht so schwierig, mit anderen Büchern hatte ich viel mehr zu kämpfen. Die Geschichte hat sich im Wesentlichen von selbst abgerollt, ich hatte beim Schreiben das Gefühl, dass mir Einfälle geschenkt werden. Aber im Einzelnen und sprachlich gab es natürlich viel Arbeit. Die Zwischentöne und Zungenschläge, die Sie ansprechen: Da hat mir vielleicht die Erfahrung des Gedichte-Schreibens geholfen, denn lyrisch kommt es immer auf die Feinarbeit an, den Rhythmus und das richtige Bild.