Annika Domainko studierte Latinistik und Klassische Archäologie in Heidelberg und Cambridge. In ihrer Dissertation erforschte sie, wie verschiedene römische Geschichtsschreiber die gleichen historischen Ereignisse beschreiben und damit Unsicherheit auf verschiedene Arten schaffen. Ihr Roman wirkt wie eine literarische Fortschreibung dieser Idee von Unsicherheit und Erzählung, denn Annika Domainko betreibt in „Ungefähre Tage“ ein extrem raffiniertes Spiel mit der Wahrheit: Wer erzählt hier eigentlich? Und was davon können wir glauben? Alles eine Frage der Perspektive.
Für ihren Debütroman hat Annika Domainko auch die eigene Perspektive verändert: Seit 2018 arbeitet sie als Sachbuchlektorin, sie hat also nicht nur die Seite von der Lektorin zur Autorin gewechselt, sondern ist auch vom Sachbuch in die Literatur gesprungen. Das beeindruckende Ergebnis ist ein ebenso kluger wie fesselnder Erstling, ein aufwühlender Liebesroman, ein verstörender Psychothriller, eine unnachgiebige Gesellschaftsanalyse. „Ungefähre Tage“ ist ein packendes Konglomerat aus all dem – es bleibt alles eine Frage der Perspektive. 

1. Was haben Sie im Studium fürs Leben gelernt?
Dass sich niemand die Welt erschließen kann, ohne zu erzählen.


2. Womit haben Sie Ihr erstes Geld verdient?
Damit, moselfränkelnde Fünftklässler von den Vorzügen des Genitivs zu überzeugen. Deutschnachhilfe für fünf Euro die Stunde …


3. Wie sieht ein gelungener Tag in Ihrem Leben aus?
Ein Kaffee auf dem Balkon, lesen, schreiben, draußen sein, das Gefühl, etwas geschafft zu haben, Zeit für liebe Menschen und vielleicht eine neue Idee.


4. Was nehmen Sie sich immer wieder vor?
Mir nichts vorzunehmen, sondern es einfach durchzuziehen.


5. Was ertragen Sie nur mit Humor?
Wissenschaftsfeindlichkeit. Gelingt gerade nur mittelmäßig …


6. Ein großes „Beinahe“ in Ihrem Leben?
Wären wir nicht beide ungeladen und schlecht gelaunt auf einer Beachparty in einer Heidelberger Altbauwohnung gelandet, Sand auf Parkett, schlechte Musik, giftiggrüne Cocktails mit Schirmchen, hätte ich meinen Mann nicht kennengelernt.


7. Der beste Ort der Welt?
Unterwegs zu einem Ort, den ich noch nicht kenne.


8. Welche Künstler:innen beeindrucken Sie?
Alle, die mich Zusammenhänge sehen lassen, die mir zuvor nicht bewusst waren.


9. Welche Eigenschaften schätzen Sie an einem Menschen am meisten?
Begeisterungsfähigkeit für alles und nichts. Intelligenz und die Fähigkeit, ungewöhnliche Fragen zu stellen. Humor, der mich überrascht.


10. Ihr liebstes Smalltalk-Thema?
Momentan? Kontingenzpläne für eine hypothetische Zombieapokalypse.


11. Welcher Illusion geben Sie sich gerne hin?
Dass ich genügend Zeit habe, all die Dinge zu tun, zu sehen, zu lesen und zu verstehen, die ich noch tun, sehen, lesen und verstehen möchte.


12. Ihre gegenwärtige Geistesverfassung?
Zu viele Tabs offen, aus einem kommt Musik.


13. Eine Entdeckung, die Sie erst kürzlich gemacht haben?
Das berühmte Motiv aus „Seven Nation Army“ von den White Stripes taucht in Bruckners 5. Symphonie auf. Oder umgekehrt. Wahrscheinlich Zufall.


14. Ihr Lieblingshotel?
Das Rumi Hostel in Bukhara, Usbekistan. The Green Backpackers in Mitzpe Ramon, Israel.


15. Welchen Satz haben Sie sich zuletzt aus einem Buch notiert?
„Das ist ein seltsames Phänomen: indem wir schreiben, lösen sich Gedanken von uns ab, auch Bilder. Sie liegen herum. Wie Objekte. Sie können mir missfallen, wenn ich sie zufällig sehe, oder sie können mich überzeugen: als hätte ich das nicht selbst gedacht.“ Max Frisch, Schwarzes Quadrat.


16. Welches Buch würde niemand in Ihrer Bibliothek erwarten?
Michael Schetsche & Andreas Anton, Die Gesellschaft der Außerirdischen. Einführung in die Exosoziologie.


17. Die wichtigste Lektion, die Sie aus einem Buch gelernt haben?
“Toni malt Fine, Fine malt Toni.” Lesen und schreiben ...