Die russisch-armenische Autorin Kristina Gorcheva-Newberry wuchs in Moskau auf. Nachdem sie die Perestroika und den Fall des Eisernen Vorhangs miterlebt hatte, zog sie 1995 in die USA. Ihr Roman „Das Leben vor uns“ erzählt von ebendieser Generation Perestroika, von der Jugend, die in den letzten Jahren der Sowjetunion erwachsen wird – in einem Staat, der kurz vor dem Zerfall steht, einer Heimat, die unter ihren Füßen wegbricht. Hinter der fesselnden Erzählung eines tragischen Schicksals und vom Erwachsenwerden in einer anderen Welt schwingt immerzu auch die Atmosphäre russischer Machtpolitik mit, ein Bild von Zensur und Korruption, aber auch von der beeindruckenden Vielschichtigkeit dieses Landes, seiner bewegten Geschichte und reichen Kultur. Ein Porträt, das uns viele Probleme, die aus dem Zerfall des sowjetischen Imperiums erwachsen sind, besser verstehen lässt.

Kristina Gorcheva-Newberry lebt heute mit ihrer Familie in New York und Virginia. Bis zum 24. Februar 2022 lebte sie auch zeitweise noch in Russland.

1. Was haben Sie im Studium fürs Leben gelernt?
Dass es Mut und Ausdauer braucht, um etwas Wichtiges im Leben zu erreichen. Wissen ist eine wahre Freude, aber auch ein Privileg.


2. Womit haben Sie Ihr erstes Geld verdient?
Nach meinem Abschluss an der Moskauer Staatlichen Linguistischen Universität wurde ich als Dolmetscherin von einer Gruppe amerikanischer Drachenflieger engagiert, die zwei Wochen in Russland verbrachten.

3. Wie sieht ein gelungener Tag in Ihrem Leben aus?
Ein friedlicher Tag, ein Tag, der nicht von Tod, Krankheit oder Trauer geprägt ist, ein Tag, an dem ich schreiben oder mich mit meinen Freunden und meiner Familie treffen, kochen, tratschen, in Erinnerungen schwelgen kann ...


4. Was nehmen Sie sich immer wieder vor?
Geschichten zu erzählen, mir andere Leben vorstellen ...


5. Was ertragen Sie nur mit Humor?
Die schonungslose Kritik meiner Mutter – sei es über das Essen, das ich koche, oder die Kleidung, die ich trage.


6. Was für eine Art Leserin waren Sie als Kind?
Ich wurde von einer alleinerziehenden Mutter großgezogen, die der Meinung war, dass man kein Abendessen verdiene, wenn man nicht jeden Tag lese. Und da ich wie die meisten Kinder ständig Hunger hatte, las ich jedes Buch, das ich finden konnte. Außerdem war das Lesen in der Sowjetunion oft das einzige erschwingliche Vergnügen.


7. Der beste Ort der Welt?
Für mich ist der schönste Ort der Welt ein Birkenwald in der Nähe der Datscha meiner Großeltern, wo meine Cousins und ich die Sommer verbrachten, als wir aufwuchsen. Dieser Wald, diese mächtigen Bäume, die wir zu umarmen oder hinter denen wir uns zu verstecken versuchten, bergen so viele meiner Kindheitserinnerungen, die Zeit, als unser Leben noch vor uns lag, unbeherrscht.


8. Ihr Lieblingsautor?
Toni Morrison. Ihre Bücher enthalten einen unerschöpflichen Reichtum, sind ein Universum der Weisheit, des Wissens und der Menschenliebe, der Stärke und des Mutes, des Geheimnisvollen und des Unbeschreiblichen. Sie sind Kathedralen, verblüffend in ihrer Vollkommenheit und Größe. Wer sie liest, scheint sie nie mehr vergessen zu können; ihre Figuren und Themen verfolgen einen noch lange, nachdem man die letzte Seite umgeblättert hat.


9. Welche Eigenschaften schätzen Sie an einem Menschen am meisten?
Freundlichkeit, Intelligenz, Ehrlichkeit, Integrität.


10. Ihr liebstes Smalltalk-Thema?
Katzen! Ich habe drei!


11. Welcher Illusion geben Sie sich gerne hin?
Weltfrieden.


12. Welche Zeitungen, Magazine und Blogs lesen Sie?
The New York Times, The New Yorker, The Paris Review, The Southern Review und ein paar hiesige Hochschulzeitschriften.


13. Ihr Lieblingsfilm?
Ich liebe fast alles von Bergman, Fellini oder Tarkowsky. Aber meine Lieblingsfilme der Gegenwart sind: La Grande Bellezza (Italienisch), The Square (Schwedisch) und Das Leben der Anderen (Deutsch).


14. Ihr Lieblingsmuseum?
Das Magritte Museum in Brüssel. Es ist absolut faszinierend, genau wie Magrittes surrealistische Gemälde. Ich habe Ehrfurcht vor seiner Kunst.


15. Welche drei Geister würden Sie gern zum Dinner einladen?
Toni Morrison. Virginia Woolf. Sergei Rachmaninow. Für diese drei würde ich die ganze Nacht lang ein Festmahl kochen und servieren.


16. Mit wem würden Sie gern für einen Tag den Platz tauschen?
Mit Wladimir Putin, damit ich diesen furchtbaren Krieg in der Ukraine beenden kann.


17. Ein Buch, das Ihr Leben verändert hat?
Menschenkind von Toni Morrison. Es ist der großartigste und herzzerreißendste Roman, den ich je gelesen habe, vollkommen in seiner Perfektion.