Sie twittert Hölderlin-Gedichte, hat ein Faible für gute, gerne auch alte Theorien, glaubt an den Fortschritt, der auf leisen Sohlen kommt, und blickt optimistisch in die Zukunft. Hedwig Richter, Professorin für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität der Bundeswehr München, ist eine der anregendsten historischen Querdenkerinnen, die es meisterhaft versteht, kulturkritischen Untergangsanalysen genauso wie männlichem Imponiergehabe mit Vernunft und Charme entgegen zu treten. Das tut sie auch in ihrem neuesten Buch „Demokratie. Eine deutsche Affäre“, in dem sie zeigt, was Demokratie mit den Körpern der Menschen zu tun hat, dass die eigentlichen Fortschritte nicht in Revolutionen erkämpft wurden und warum Krisen schon immer dazugehörten.
Hedwig Richter hat in Greifswald, Washington, New York, Bielefeld, Prag, Köln, Hamburg, Berlin über Wahlen, Migration, Gender und Religion geforscht und ist in großen Zeitungen genauso präsent wie in sozialen Netzwerken.

1. Was haben Sie im Studium fürs Leben gelernt?
Bei dem Germanisten Hans-Jürgen Schings habe ich viel über Goethe gelernt, und bei Goethe habe ich verstanden, wie wichtig die Forderung ist, Maß zu halten.
 

2. Was für eine Art von Leserin waren Sie als Kind?
Ich habe irrsinnig viel gelesen. Schon als Grundschülerin las ich die komplette Bibel durch. Das war aber nur ein kleiner Teil meiner Lektüre.

3. Womit haben Sie Ihr erstes Geld verdient?
Mit Musik: mit Klavierunterricht und als Organistin.

 

4. Wie sieht ein gelungener Tag in Ihrem Leben aus?
Da fallen mir viele Möglichkeiten eine. Eine ist: einen Tag lang arbeiten.
 

5. Welche Fragen stellen Sie am liebsten anderen? 
Welche Partei wählen Sie?

 

6. Was nehmen Sie sich immer wieder vor?
Systematisch Fichte lesen.

7. Ihre gegenwärtige Geistesverfassung?
Der Feminismus wird den Sieg davontragen, unsere Gesellschaften werden immer diverser, und alles wird gut.

 

8. Was haben Sie immer dabei?
Mein Smartphone.
 

9. Ihr Lieblingswort?
Leichtsinn.

10. Welche Eigenschaften schätzen Sie an einem Menschen am meisten?
Menschenfreundlichkeit.
 

11. Ihr liebstes Smalltalk-Thema?
Deutsche Geschichte.
 

12. Welcher Illusion geben Sie sich gerne hin?
Dass es ein jüngstes Gericht gibt, in dem die Nazis und alle Menschenschlächter zur Rechenschaft gezogen werden. Uns anderen Sündern aber wird Gott alle Tränen abwischen und die Tore ins Paradies öffnen.
 

13. Wen bewundern Sie?
Die Millennials. Aber auch einige alte weiße Männer. Alte Frauen sowieso.
 

14. Ihr Motto?
Alles prüfe der Mensch, sagen die Himmlischen,
Daß er, kräftig genährt, danken für Alles lern’,
Und verstehe die Freiheit,
Aufzubrechen, wohin er will.
Hölderlin

15. Ihr Lieblingsmuseum?
Die Alte Nationalgalerie in Berlin.

 

16. In Welchen Jahrhundert hätten Sie gerne gelebt?
Im 21. Jahrhundert. Nie hatten Frauen so viele Rechte (auch wenn es da noch viel zu tun gibt), nie ging es den Ärmsten auf der Welt besser (und auch hier muss die Menschheit noch vieles besser hinkriegen).


17. Ein Buch, das Ihr Leben verändert hat?
Eine Biografie der Niederländerin Corrie ten Boom. Als ich etwa sechs war, hat unsere Mutter meinen Geschwistern und mir das Leben dieser frommen Uhrmacherin vorgelesen, die in der NS-Zeit Jüdinnen und Juden versteckt hat. Ich war so erschüttert über den Holocaust und bekam Alpträume, die mich jahrelang verfolgten und immer wieder hochkommen. Seither frage ich mich, wie wir Deutschen diese Verbrechen begehen konnten.

 

 

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