„Germanist“ wäre wohl die Berufsbezeichnung, die auf Jan Philipp Reemtsma, der eine Professur für Neuere deutsche Literatur an der Universität Hamburg innehat, am ehesten zutrifft. Doch sein Wirkungskreis ist damit kaum angemessen umrissen. Er ist außerdem Autor, Philosoph, Gewaltforscher, Institutsgründer, mäzenatischer Ermöglicher von Projekten unterschiedlichster Art - und einer der profiliertesten öffentlichen Intellektuellen Deutschlands. Sein brillanter Essay über den Boxer Muhammad Ali, die wegweisende Untersuchung über „Vertrauen und Gewalt“, der unbequeme Traktat „Was heißt: einen literarischen Text interpretieren?“ geben einen Eindruck von der Spannweite seiner Interessen. Nun ist Reemtsma zu einem Lebensthema zurückgekehrt, dem Leben und Werk von Christoph Martin Wieland. In diesen Tagen erscheint seine große Biographie des „Erfinders der modernen deutschen Literatur“. Wenn es einem gelingen kann, Wieland dem Schatten zu entreißen, in den Goethe und Schiller ihn zu Unrecht gestellt haben, dann diesem ausgezeichneten – und vielfach ausgezeichneten – Germanisten.

1. Was haben Sie im Studium fürs Leben gelernt?
„Fürs Leben“… ich glaube: nichts.


2. Womit haben Sie Ihr erstes Geld verdient?
Bälle aufsammeln beim Tennis.


3. Wie sieht ein gelungener Tag in Ihrem Leben aus?
Mal so mal so.


4. Was nehmen Sie sich immer wieder vor?
Meine Bibliothek so zu ordnen, daß sie bleiben kann, wie sie ist.


5. Was ertragen Sie nur mit Humor?
Wenn ich etwas „nur mit Humor“ ertragen könnte, könnte ich’s nicht mit Humor ertragen. Erstaunlich vieles läßt sich ertragen, wenn man es (aus anthropologischer Sicht) interessant findet.


6. Ein großes „Beinahe“ in Ihrem Leben?
Ich habe mir beim Skifahren einmal beinahe das Bein gebrochen. Groß genug?


7. Der beste Ort der Welt?
Der Ort, an dem ich wohne.


8. Welche Künstler:innen beeindrucken Sie?
Zu viele, als daß ich sie aufführen könnte.


9. Welche Eigenschaften schätzen Sie an einem Menschen am meisten?
Intelligenz und: Urteilskraft


10. Ihr liebstes Smalltalk-Thema?
Smalltalk „kann“ ich nicht, wie mir mehrfach bestätigt worden ist. (Ein Mangel, auf den ich nota bene nicht stolz bin!)


11. Welcher Illusion geben Sie sich gerne hin?
Wenn ich mich einer Illusion hingebe, halte ich sie für keine.


12. Welche Zeitungen, Magazine und Blogs lesen Sie?
FAZ, SZ, NZZ.


13. Ihre Lieblingsbuchhandlung?
Kortes (Nachfolger) in Hamburg-Blankenese, Buchhandlungen Eckart und Bartalszky in Wien.


14. Ihr Lieblingsmuseum?
Kunsthistorisches und Naturhistorisches Museum in Wien. Frick Gallery, New York


15. Welchen Satz haben Sie sich zuletzt aus einem Buch notiert?
„Der heilige Geist sagt irgendwo oder könnte es doch gesagt haben: verlaß dich nicht auf Menschen, sie sind Fürsten.“


16. Welches Buch würde niemand in Ihrer Bibliothek erwarten?
Keine Ahnung


17. Ein Buch, das Ihr Leben verändert hat?
Im Grunde verändern Bücher, die der Erwähnung wert sind, das Leben immer (ein ganz klein wenig), aber das ist vielleicht trivial. Albert Camus‘ „Der Fremde“, weil ich als sehr junger Mensch zu ersten Mal erlebt habe, wie man ganz anders in die Welt sehen kann (und wie solche Möglichkeit sich in Literatur auftut). Arno Schmidt „Kaff auch Mare Crisium“ und Christoph Martin Wieland „Aristipp und einige seiner Zeitgenossen“, weil es diese Bücher gewesen sind, die mich dazu gebracht haben, mich mit beiden Autoren ein Leben lang zu beschäftigen, was in beiden Fällen nicht folgenlos geblieben ist.