„Hier erfindet ein Buch seine eigene Gattung“, hieß es treffend in der „Zeit“ über „Heimat“, die illustrierte Familiengeschichte von Nora Krug, die zu einem – auch internationalen - Erfolg wurde durch ihren faszinierenden Mix aus historischer Rekonstruktion, scharfem Blick für scheinbar Nebensächliches und eine ganz und gar ungewöhnliche Bildsprache. Nun hat die mit zahlreichen Preisen ausgezeichnete Künstlerin, die mittlerweile als Associate Professor für Illustration an der renommierten Parsons School of Design lehrt, einen Klassiker unserer Gegenwart illustriert: Timothy Snyders Brandschrift „Über Tyrannei. Zwanzig Lektionen für den Widerstand“, die in der Tradition von Hannah Arendt und George Orwell zu einem Kultbuch für Dissidenten in aller Welt geworden ist. Als Weckruf zu Beginn der Ära Trump geschrieben und mittlerweile in 40 Sprachen übersetzt, hat „Über Tyrannei“ nichts von seiner Aktualität verloren, denn überall auf der Welt versuchen autoritäre Regime und rechtspopulistische Bewegungen, die Grundlagen der Demokratie auszuhöhlen. Timothy Snyder zeigt, warum wir alle etwas dagegen unternehmen müssen und wie das geht – und Nora Krug hat ihm nun kongenial mit der Macht ihrer aufwühlenden Bilder neue visuelle Argumente hinzugefügt. Nora Krug lebt mit ihrem Mann und ihrer Tochter in New York City.

1. Was haben Sie im Studium fürs Leben gelernt?
Dass Kollegialität, Durchhaltevermögen und innovatives Denken genauso wichtig für ein gelungenes Projekt sind wie Talent.


2. Womit haben Sie Ihr erstes Geld verdient?
Meine erste bezahlte Illustration war eine winzige Zeichnung für die New York Times. Da es sich dabei um eine Tageszeitung handelt, hatte ich für die Ideenfindung und Umsetzung nur vier Stunden Zeit – eine gute Vorbereitung auf mein weiteres Berufsleben.

3. Wie sieht ein gelungener Tag in Ihrem Leben aus?
Ein gelungener Tag in meinem Leben ist ein Tag, an dem ich es geschafft habe, zwischen Schreiben, Zeichnen, Schreibtischarbeit, Unterrichten und Familie eine gute Balance zu finden.

4. Ein großes „Beinahe“ in Ihrem Leben?
Ich besuchte ein Musikgymnasium und würde jetzt wahrscheinlich in einem Orchester Geige spielen, wenn ich mich nicht dazu entschlossen hätte, Kunst statt Musik zu studieren.


5. Was für eine Art Leserin waren Sie als Kind?
Unser Bücherregal war besetzt von den anti-autoritäreren Kinderbüchern der Schriftsteller- und Künstlergrößen der 60er und 70er Jahre: Friedrich Karl Waechter, Tomi Ungerer, Maurice Sendak und andere, deren sprachlicher und visueller Humor mich faszinierte. Bis auf Tim und Struppi und die dänischen illustrierten Bärenabenteuer Petzi, waren Comics zu Hause verboten. Später las ich mich natürlich durch die Kinderbücher, die auch heute noch in Deutschland als Klassiker gelten. Besonderen Eindruck machten auf mich die Bücher von Michael Ende.


5. Der beste Ort der Welt?
Die Geroldsauer Wasserfälle, die Heimatgefühle in mir auslösen, und die karibische Nachbarschaft in Brooklyn, in der ich mich zuhause fühle.


6. Welche Künstler beeindrucken Sie?
Ich bewundere die Graphic Novels von Chris Ware, der es durch seine minimalistische Erzählweise schafft, tiefe Gefühle zu erzeugen und dabei unser Raum- und Zeitgefühl in Frage zu stellen. Für meine eigene Arbeit ist besonders der deutsche Expressionismus wichtig, da er zeigt, dass wir als visuelle Künstler eine politische Verantwortung tragen.


7. Wenn Sie ein zweites Leben führen könnten, wie sähe dieses aus?
Ich wuerde das kleinste Schloss Südenglands bewohnen und mich um den Garten und eine Schar zerzauster, adoptierter Tiere kümmern.


8. Ihr Lieblingsfilm?
Zu viele, um sie hier auflisten zu können: Bright Star, London Spy, Toni Erdmann und A Most Wanted Man gefielen mir in den letzten paar Jahren, sowie die koreanischen Filme Burning und Minari und die US-Miniserie Rectify. Außerdem bewundere ich die Dokumentarfilme des Amerikaners Joshua Oppenheimer.


9. Ihr liebstes Smalltalk-Thema?
Auf Partys in New York geht es beim Smalltalk meistens um die Wohnungssuche. Wenn dann noch deutsche Gäste dazukommen, wechselt das Thema schnell hin zur Altersvorsorge. Aber eigentlich geht es gar nicht um das Thema an sich. Das Wichtige am Smalltalk ist das Zusammengehörigkeitsgefühl, das dabei entsteht.


10. Welche Zeitungen, Magazine und Blogs lesen Sie?
Auf Papier lese ich täglich die New York Times und auf meinem Telefon die Nachrichten der BBC.

 

11. Ihre Lieblingsbuchhandlung?
Im Strand Buchladen in New York City habe ich jahrelang gestöbert. Angeblich gibt es dort ja „18 miles of books“.


12. Ihr Lieblingsmuseum?
Sehr gut gefallen hat mir Orhan Pamuks Museum der Unschuld in Istanbul, das die emotionale und narrative Bedeutung von Alltagsgegenständen beleuchtet.


13. Ihr Lieblingsgetränk?
Cocktails aus der Zeit der amerikanischen Prohibition.


14. Welche Eigenschaften schätzen Sie an einem Menschen am meisten?
Empathiegefühl, Großzügigkeit und Mut.


15. Welcher Illusion geben Sie sich gerne hin?
Dass es für alle Probleme auf der Welt Lösungen gibt.


16. Was haben Sie immer dabei?
Mein Herz (aber nicht immer meinen Verstand).